Kreis Lippe. Die Kreisbauernschaft in Lippe hat eine Bilanz des Krisenjahres 2020 gezogen und appelliert an Politik, Gesellschaft und Lebensmitteleinzelhandel. Die Lebensmittelerzeuger befänden sich in einer immer schwieriger werdenden Lage. Ein einfaches „Weiter so“ dürfe es nicht geben, es müsse eine faire Bezahlung bei hohem Qualitätsanspruch geben.

„Wir werden dieses Corona-Jahr noch lange in Erinnerung behalten“, resümiert der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippe Dieter Hagedorn zum Jahresende. 2020 habe allen, der gesamten Gesellschaft, viel abverlangt.

Für die Landwirtschaft sei es ein Jahr der Herausforderungen gewesen, die lange noch nicht gemeistert seien. Die Preise für viele landwirtschaftliche Produkte seien im Keller, die Stimmung auf den Höfen vielfach bedrückend und langfristige Perspektiven nicht in Sicht. Für den Vorsitzenden ist es ein nachdenkliches Jahr.

Volle Regale nicht
selbstverständlich

2020 habe den Menschen aber auch deutlich gemacht, dass volle Regale im Supermarkt keine Selbstverständlichkeit seien. Die Verwundbarkeit der globalen Lieferketten und die Wichtigkeit der hiesigen Erzeugung seien in diesem Corona-Jahr sehr bewusst geworden. Leider hätten wir aber noch immer nicht gelernt, wie wertvoll Nahrungsmittel sind und dass sie ihren Preis haben müssten, so der Vorsitzende.

In 2020 haben die Bauern wieder erfahren, wie abhängig sie von der Natur und dem Wetter sind. Mit der Ernte seien sie zum Glück dann noch relativ glimpflich davon gekommen. Allerdings sei die Spannbreite enorm groß.
Große Sorgen bereiten den Landwirten die Schweine-, Rind-, Geflügelfleisch-, Milch- und Eierpreise. So hätten drei trockene Jahre insbesondere bei den Milchbauern und Bullenmästern die Kosten stark steigen lassen bei nichtauskömmlichen Erzeugerpreisen.

Die Bullenmäster würden unter der Schließung der Gastronomie und dem Wegfall des Weihnachtsgeschäfts massiv leiden. Ebenso habe auf dem Geflügel- und Eiermarkt ein Preisverfall eingesetzt. Bei den Sauen- und Schweinehaltern führten Corona und die verbesserten Vorsichtsmaßnahmen in der Schlachtbranche, was insbesondere die Arbeitsbedingungen angeht, sowie der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland im September zu extremen Preiseinbrüchen.
Auch bei den Waldbauern sei die Situation durch drei Dürrejahre und den Befall des Borkenkäfers desaströs.

Dieter Hagedorn, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Lippe. F.: priv.

Viele Herausforderungen

Corona, Afrikanische Schweinepest (ASP), Vogelgrippe, Preisverfall, immer mehr Auflagen, Gesetze, Bürokratie, die die Kosten erhöhen – die Lage ist absolut ernst.
„Wir sehen eine wirtschaftlich schwierige Situation, mit einer sich weiter öffnenden Kosten- und Erlösschere“, schildert der Vorsitzende. „Auf der anderen Seite wird zunehmend mit unseren Produkten vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH) gutes Geld verdient.“

Nicht nur das: Außerdem trage der LEH wegen des eigenen Wettbewerbsvorteils mit immer neuen Anforderungen dazu bei, dass der Kostendruck steige. Weiter komme hinzu, dass die Landwirtschaft einem globalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sei.
„Wenn die Rede von dem Familienbetrieb keine Sonntagsgerede mehr bleiben soll, darf es kein Weiter so geben, dass schaffen unsere Bauernfamilien nicht mehr“, beschreibt Hagedorn den existenziellen Druck. „Wir müssen mit unseren Familien von unserer Arbeit leben können.“
Gerade der Nachwuchs brauche planbare, verlässliche Perspektiven. „Wir sind für ein verantwortungsbewusstes Miteinander, doch wir müssen es auch durchhalten.“ Deshalb gehöre zur Nachhaltigkeit auch das Soziale und die Ökonomie dazu. Lebensmittel hätten ihren Preis. „Die Verantwortung für das, was wir in Zukunft essen, liegt bei uns allen“, appelliert der Vorsitzende. Es gehe nur gemeinsam mit der Landwirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Auch vom Lebensmittel-Einzelhandel fordert Hagedorn einen fairen Umgang und eine angemessene Bezahlung bei höheren Qualitätsstandards.

Er gibt zu bedenken: „Sind es nicht die Bauernfamilien – die mit ihren seit Generationen geführten, oft Jahrhunderte alten Höfen – verantwortungsbewusst und leidenschaftlich für Mensch, Tier und Natur qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugen, unsere Kulturlandschaft und den ländlichen Raum erhalten?“ Wolle die Gesellschaft eine nachhaltige, lokale, sichere Lebensmittelversorgung und höhere Ansprüche an mehr Tierwohl sowie Umweltschutz, so müssten diese von Handel und Verbraucher fair bezahlt werden. Jeder müsse Verantwortung seines Handels übernehmen.

Sehr traurig stimmt Hagedorn, dass das Corona-Virus vielen Menschen Schicksale, persönliches sowie wirtschaftliches Leid in vielen Wirtschaftsbereichen gebracht habe. „Mein Mitgefühl gilt jedem, der von dieser schweren Krankheit betroffen ist“, unterstreicht der Vorsitzende.
2020 habe uns allen mehr als deutlich gezeigt, wie wichtig Gesundheit sei. Der Vorsitzende hofft für das kommende Jahr auf mehr Normalität und „das wir schnell diese Pandemie überstehen.“