Barntrup (jn). Das Zerwürfnis zwischen Barntrups Bürgermeister Jürgen Schell und der Schulleitung des Städtischen Gymnasium ist weiter akut: Obwohl mehrmals die Möglichkeit zur Entschuldigung bestand, sämtliche Ratsfraktionen der Schulleitung Rückendeckung geben und Schulausschuss-Vorsitzender Hardy Friedrich jetzt öffentlich ganz direkt nachfragte, will Jürgen Schell nicht einlenken. Eine Lösung tut not. 

In der Schulaussschuss-Sitzung vom vergangenen Dienstag wollten Barntrups Ratsmitglieder das Zerwürfnis zwischen Bürgermeister Jürgen Schell und dem Städtischen Gymnasium Barntrup gerne zu einem guten Ende führen. Doch der Bürgermeister ließ eine weitere Chance, gegenüber Schulleiterin Gabriele Schmuck „Enschuldigung“ zu sagen, ungenutzt verstreichen.

Im Gymnasium und in sehr weiten Teilen der Barntruper Politik stößt dieses Verhalten auf immer lauter werdende Kritik und anhaltende Fassungslosigkeit. Die Schule, die seit Jahrzehnten in Nordlippe und darüber hinaus für ihr großes Engagement und ihren Einsatz bekannt ist, steht geschlossen hinter ihrer Schulleiterin und ihrem Wunsch nach einer „richtigen“ Entschuldigung.


Der Grund: Rund um die nervenaufreibenden Entscheidungszusammenhänge zur diesjährigen Abiturfeier (Genehmigung der Variante im großen Rahmen quasi in letzter Minute, nach tagelangem Hin und Her zwischen Gymnasium, Gesundheitsamt, Ordnungsamt und Bürgermeister in Sachen Hygienekonzept) wurde Gabriele Schmuck in einer E-Mail (die in Kopie an zahlreiche Ratsmitglieder ging und hier in Ausschnitten aus dem Gedächtnisprotokoll eines externen Besuchers der Ausschuss-Sitzung aufgeführt wird) von Bürgermeister Jürgen Schell vorgeworfen, der „Ruf der Schule habe seit ihrer Zeit sehr gelitten“, es fehle ihr an „Gespür für Verhältnismäßigkeit“, er sei „sehr enttäuscht“ über ihr Verhalten, die Angehörigen der Abiturienten „täten ihm leid“ und der „Rat der Stadt Barntrup sei fassungslos“ über ihre Pläne, unter Corona eine Abiturfeier im großen Rahmen von rund 400 Personen ausrichten zu wollen.


Zum großen Glück der diesjährigen Abiturientia konnte nach Eingreifen von Frau Dr. Kerstin Ahaus, Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Lippe, und der finalen Klärung von Zuständigkeiten die Feier doch wie erhofft stattfinden. Der Wunsch der Abiturienten („Wir wollen beim Feiern zusammenbleiben!“) wurde erfüllt, der Nachmittag wurde zu einem tollen emotionalen Moment mit „Gartengefühl“ – und lässt bei nachfolgenden Stufen schon jetzt den Wunsch nach Wiederholung aufkeimen. Doch bei Schulleitung, Lehrerkollegium, Elternpflegschaft, Schülervertretern und auch den Mitgliedern des Barntruper Schulausschusses bleibt Befremdung ob des rüden Verhaltens und des Eingreifens des Bürgermeisters in Zuständigkeiten und Abläufe, die nicht auf seinem Gebiet liegen.

 

Zwei vergebliche Anläufe zur Entschuldigung 


In der Absicht, wieder zum friedlichen Miteinander in Barntrup zurückzufinden, wurden seit der Abiturfeier mehrere Versuche unternommen, den Bürgermeister zu einer Entschuldigung gegenüber Schulleiterin Gabriele Schmuck zu bewegen.
Zunächst durch die Bezirksregierung Detmold, die als oberster Dienstherr im Kreis Lippe der Barntruper Schulleitung klar Rückendeckung gibt und die Zusammenarbeit mit der Stadt als Schulträger wieder befrieden möchte. Beim Treffen in Detmold machte auch Gabriele Schmuck selbst gegenüber Schell deutlich, eine Entschuldigung seinerseits annehmen und die Sache auf sich beruhen lassen zu wollen. Barntrups Verwaltungschef stellte jedoch nur die theoretische Möglichkeit in den Raum – und ließ kein „Entschuldigung“ folgen. Er nahm auch die Aussagen nicht zurück, relativierte sie stattdessen nur unwesentlich.

 

„Herr Schell, Sie  haben nichts verstanden!“

Zweiter Anlauf dann am vergangenen Dienstag: Hardy Friedrich, Vorsitzender des Barntruper Schulausschusses, hatte die Sondersitzung zum brandheißen Thema zum zweiten Mal einberufen, nachdem Jürgen Schell bei der ersten krankheitsbedingt abgesagt hatte. Mit 30 Besuchern waren die Zuschauerränge so gut gefüllt wie höchst selten. Und die interessierten Barntruper lauschten zunächst der Zusammenfassung des Bürgermeisters, der von einem „Informationsdefizit“ seinerseits im Vorfeld der Feier sprach und im Weiteren auch seine E-Mail an Frau Schmuck öffentlich vortrug. Schell stellte dabei in den Raum, der E-Mail-Verteiler seiner Nachricht an Frau Schmuck sei falsch gewählt gewesen und auch einen Satz seiner E-Mail würde er zum heutigen Stand nicht noch einmal schreiben.

Doch eine Entschuldigung – die klar im Raum gestanden hätte, so sind sich etliche Teilnehmer der Sitzung einig – dazu wollte sich der Bürgermeister abermals nicht durchringen.
Auch auf direkte Nachfrage des Vorsitzenden Hardy Friedrich hin, war Jürgen Schell nicht dazu zu bewegen. Hardy Friedrich wurde danach deutlich: „Herr Schell, Sie haben nichts verstanden.“ Er könne ihm nur empfehlen, den Bitten Frau Schmucks (auf Fernbleiben vom Schulgelände in seiner Funktion als Bürgermeister, Anmerk. d. Redaktion) Folge zu leisten. „Das werde ich nicht tun,“ entgegnete der Bürgermeister, so erinnern sich übereinstimmend mehrere Zuschauer.

Er wurde anders aktiv: Im Nachgang der Ausschuss-Sitzung bekamen alle, dem Bürgermeister namentlich bekannten, Teilnehmer eine E-Mail zugesandt. Er, Jürgen Schell, habe sich anwaltlich beraten lassen und der Inhalt der E-Mail an Frau Schmuck, die im öffentlichen Teil der Sitzung durch ihn öffentlich vorgetragen wurde, dürfe im Nachhinein nicht schriftlich öffentlich gemacht werden.

 

Barntrups Ratsfraktionen geeint bei Rückendeckung für die Schulleiterin 


Die Rückendeckung für die Schulleitung von Barntrups Gymnasium ist indes beeindruckend: Alle Barntruper Ratsfraktionen unterstützen die Position von Gabriele Schmuck ohne Widerspruch. Und auch wenn wir in der heißen Phase des Wahlkampfes stehen: Es scheint, als seien sich zahlreiche Bürger und Politiker darin einig, das Gebahren ihres Bürgermeisters nicht länger mit ansehen zu wollen. Oder, wie Zuschauer der Ausschuss-Sitzung, die namentlich nicht genannt werden wollen, zusammenfassen: „Ein Bürgermeister darf so nicht schreiben.“ Oder aber: „Wie ein Kindergartenkind, dass sich um Bauklötze streitet.“


Was für zusätzliche Empörung bei Eltern, Lehrern und Schulleitung des Gymnasiums sorgt: In Teilen der Presse wurde bereits zum zweiten Mal sachlich falsch berichtet, Gabriele Schmuck hätte die Entschuldigungsversuche des Bürgermeisters ihrerseits – zum wiederholten Male – zurückgewiesen. Eine klare (Tages-) Zeitungs-Ente.

Und noch etwas anderes wurde öffentlich in falsche Zusammenhänge gesetzt: Die sinkenden Anmeldezahlen für die 5ten Klassen des Gymnasiums haben eine demographische Ursache und sind nicht dem Führungsstil der Schulleitung anzukreiden. Zum Vergleich: Zum Schuljahr 2015/2016 lagen noch 105 Anmeldungen vor, zum Schuljahr 2020/2021 nur 64. Der Grund: Es handelt sich um geburtenschwache Jahrgänge, es gibt schlichtweg deutlich weniger Kinder als in den Jahren zuvor. Was, so lässt sich anhand der Zahlen von Bezirksregierung und Gymnasium (die auch der Stadtverwaltung Barntrup vorliegen dürften) vorhersagen, in den kommenden Jahren so bleiben wird.
Was durch die Jahre allerdings vergleichbar geblieben ist, ist der prozentuelle Anteil eines Jahrgangs, der zum 5. Schuljahr am Barntruper Gymnasium eingeschult wird. Im Jahr 2015/2016 waren das 36,9 Prozent der Barntruper Kinder des entsprechenden Jahrgangs, im aktuellen Schuljahr 35 Prozent. Bürgermeister Jürgen Schell hatte gegenüber der Presse auf „drastisch gesunkene Anmeldezahlen in den fünften Klassen“ hingewiesen.

„Unsere Schule ist ganz weit vorne!“: So wie Markus Tackenberg, stellvertret. Schulleiter, sehen es auch Schüler, Eltern und Lehrerkollegium – und sie wollen sich wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Foto: jn


Im Gymnasium selbst stellen sich Lehrerkollegium, Eltern und Schüler jetzt „auf die Hinterbeine“: „Wir wollen endlich wieder weiterarbeiten, ohne dass weitere Überraschungen über uns hereinbrechen!“ so formulieren es die Lehrkräfte. Der ihnen von außen aufgebürdete Konflikt bündele Kraft und Ressourcen, die in der jetzigen gesellschaftlichen Situation (Stichwort Corona) anderswo dringend gebraucht würden.

Im Gymnasium gehe es gerade darum, den Übergang vom Unterricht des Lockdowns zum Präsenzunterricht weiter zu begleiten und die digitale Ausstattung voranzutreiben. „Unsere Lernplattform iServ war schon lange vor Corona vorhanden,“ so Markus Tackenberg, stellvertretender Schulleiter, „und dafür sind wir unserem Schulträger (der Stadt Barntrup, Anmerk. d. Redakt.) sehr dankbar!“ Überhaupt habe man mit der Stadtverwaltung seit Jahrzehnten ein ausgesprochen gutes Verhältnis. „Wir spüren, dass unsere Schule der Stadtverwaltung sehr wichtig ist,“ betont Schulleiterin Gabriele Schmuck.

 

Elternpflegschaft bescheinigt Lehrerkollegium und Schulleitung „hervorragende Arbeit“

Auch die Elternpflegschaft steht voll hinter Schulleitung und Lehrerkollegium: „An diesem Gymnasium wird der offene Dialog zwischen Schülern, Eltern und Lehrern gelebt. Und deshalb fühlen unsere Kinder und wir uns hier so wohl. Am Puls der Zeit sein und die Kinder auf das Leben draußen vorbereiten – das wird hier hervorragend geleistet.“ sagen Stefan Tönebön, Birgit Wiegrebe und Christine Dramburg unisono.

An einer Entschuldigung gibt es kein Vorbeikommen. Und sie ist wichtig, damit sich Schulleitung, Lehrer und Schüler wieder auf ihre eigentliche – und wichtigste – Aufgabe konzentrieren können: den Unterricht. Was unter den aktuellen Gegebenheiten wie Maskenpflicht-Diskussion, lange Stoßlüft-Zeiten bei sinkenden Temperaturen und einem ungewissen Infektionsgeschehen im anstehenden Herbst schon nervenaufreibend genug ist. Markus Tackenberg bringt es auf den Punkt: „Unser Gymnasium ist ganz weit vorne – tolle neue Gebäude, mit iServ digital sehr gut aufgestellt und alle ziehen an einem Strang. Damit wollen wir in Ruhe weitermachen – und wir wollen unseren guten Ruf behalten!“