Nordlippe / Kalletal (rr). Die vier Gemeinden Nordlippes schmieden – zusammen mit der Gemeinde Blomberg und Spezialisten des Kreises Lippe – jetzt eine Allianz in Sachen Prävention: Mit einer interaktiven Gefahrenkarte für Überschwemmungs- und Starkregen-Ereignisse namens „Digitaler Zwilling“ sollen in Zukunft Katastrophenszenarien nach Starkregen vorhergesehen werden können. Im 3-D-Modell lassen sich die Auswirkungen von Niederschlagsmengen auf einem topografischen Modell der Region darstellen. 

Einmal in hundert Jahren schlägt – rein statistisch gesehen – ein Hochwasser mit extremen Überschwemmungen zu, vorzugsweise nach Starkregen über einen längeren Zeitraum.
Doch im Zuge des Klimawandels häuften sich solche Ereignisse und sorgten 2017 und 2019 für zahlreiche Katastrophenszenarien in der Region Nordlippe. Besonders betroffen waren Kalletal-Kalldorf, Dörentrup und Altendonop. Um Geschehnissen wie etwa vor wenigen Monaten im Ahrtal auch bei uns in der Region vorzubeugen und eine adäquate Starkregenprävention auf die Beine zu stellen, bedienen sich die Gemeinden Kalletal, Extertal, Blomberg und Dörentrup (stellvertretend mit für die Gemeinde Barntrup) auf Initiative des Kalletaler Bürgermeisters Mario Hecker nun eines Modells mit dem Namen „Digitaler Zwilling“.

Und genau das stellte Dr. Stefan Ostrau, Fachbereichsleiter Geoinformation beim Kreis Lippe, nun in der vergangenen Woche im Kalletaler Rathaus den Bürgermeistern der vier Kommunen in seinem jetzigen Stadium vor. Das Programm, quasi „Industrie 4.0“, ist hochkomplex und wartet mit überraschenden Ergebnissen auf. Eine „mittlere sechsstellige Summe“ stecke darin, betonte Stefan Ostrau, doch für die beteiligten Kommunen sei es derzeit kostenfrei.

Dr. Stefan Ostrau, Fachbereichsleiter Geoinformation beim Kreis Lippe. Foto: rr

In der Präsentation zeigten sich die wesentlichen Stärken. Denn basierend auf normalen Landkartenansichten wurden die kommunalen Regionen in der interaktiven Hochwasser- und Starkregengefahrenkarte topografisch so erfasst, dass mittels Kippen und Drehen eine aus allen Blickwinkeln exakte dreidimensional Darstellung zu sehen ist. Variable Farbigkeit dokumentiert die Niederschlagsmengen, ihre Verbreitung und ihre Fließrichtung, so dass bei Unwetter betroffene Gebiete zuverlässig definiert werden können. Im Ergebnis können präventiv Maßnahmen ergriffen werden.

Um das Projekt zielgerichtet umsetzen zu können, erfordert es natürlich akribischer Vorarbeit bei den Gemeinden, und so lieferten diese bereits umfangreich Bebauungspläne und vorhandene Geodaten an den Kreis. Damit kamen sie den Anforderungen entgegen, denn, so Dr. Stefan Ostrau, „hier handelt es sich um ein Modell, dessen Anwendbarkeit von Qualität und Quantität der gelieferten Daten abhängt.“

Als Datenlieferanten sind rund 30 bis 40 Dienste eingebunden, darunter auch kommunale sowie Bund und Land. Darüber kann man beispielsweise Fließwege feststellen, was sich auf die Bauleitplanung auswirkt oder an geeigneten Stelen Regenrückhaltebecken bauen. Auch die Landwirtschaft muss ihren Beitrag leisten, denn „die große Chance zum Handeln liegt im Umland der Kommunen,“ wie Blombergs Bürgermeister Christoph Dolle anmerkte.
Man hoffe, dass Landwirte dort Flächen zur Verfügung zu stellen, denn Straßen zu verlegen oder Kanäle zu bauen sei wirtschaftlich nicht darstellbar. Nun komme es auf eine gute Kommunikation an, mahnte Extertals Bürgermeister Frank Meier, „denn dass einem Landwirt sein Maisacker durch den Keller fließt, will doch keiner.“ Und Mario Hecker ergänzte: „Wir wollen niemand enteignen.“ Dörentrups Bürgermeister Friso Veldink setzt auf die Kooperationsbereitschaft der Landwirte, doch müsse es auch ein Entgegenkommen bei den Pachtpreisen bei den Flächeneigentümern geben.

Der „Digitale Zwilling“ ist also ein starkes praxisnahes Instrument für Starkregenprävention und konkreten Klimaschutz in den Kommunen, einerseits zwar teuer – jedoch der Ausgangspunkt, um Fördergelder zu generieren.