Kalletal (rr). Mit dem in der Ratssitzung am Donnerstag letzter Woche in geheimer Wahl gescheiterten Antrag auf Gewährung eines Gesellschaftsdarlehens in Höhe von 300.000 Euro für das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) steht die Einrichtung nunmehr möglicherweise vor der Insolvenz. Mit 17 Nein- (CDU und UKB) und 15 Ja-Stimmen (SPD, Grüne und Bürgermeister Hecker) fiel der Antrag durch – entgegen den Versuchen, doch noch das Ruder herumzureißen.
In der zur Abstimmung vorliegenden Beschlussvorlage hatte es geheißen: „1. Die Gemeinde Kalletal gewährt der MVZ Kalletal GmbH, die eine 100%ige Tochter der Gemeinde Kalletal ist, ein weiteres Gesellschafterdarlehen in Höhe von 300.000 Euro. Das Darlehen soll der Überbrückung eines Liquiditätsengpasses dienen. 2. Der Rat beauftragt die Verwaltung, die vorliegenden Interessenbekundungen öffentlicher Träger zu prüfen und in Verhandlungen zu klären, ob und unter welchen Rahmenbedingungen die Bereitschaft besteht, sich an der MVZ Kalletal GmbH zu beteiligen oder sie zu übernehmen. Dabei ist der Erhalt der jetzigen Arztsitze (Haus- und Kinderarzt-Sitze) am Standort Kalletal dauerhaft zu gewährleisten.“ Die Notwendigkeit, das MVZ zu erhalten und zu fördern, hatten die leitenden Ärzte bereits in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 3. Dezember begründet, dabei auf die Anlaufschwierigkeiten und auf die sich nach oben entwickelnden Patientenzahlen verwiesen. Begann das MVZ mit 402 Patienten, wurden es im zweiten Quartal dieses Jahres 861 und im dritten Quartal bis zum 18. Dezember 1581. Von diesen Patienten kamen knapp 70 Prozent aus Kalletal und knapp 20 Prozent aus Lemgo. Die Zahl der Behandlungen stieg im selben Zeitraum von 355 auf 667 und schließlich auf 1190.
Sieben Elternbeiräte, eine Elternpflegschaft sowie drei Kita-Leitungen hatten sich in einer Petition dafür ausgesprochen, „die langfristige Bedeutung des MVZ und insbesondere der kinderärztlichen Versorgung in den Blick zu nehmen. Es geht nicht um kurzfristige Zahlen, sondern um Vorsorge, Verantwortung und die Zukunft unserer Kinder.“ Auch ein in Kalletal niedergelassener Allgemeinmediziner hatte sich für den Erhalt des MVZ ausgesprochen und sogar eine gemeinsame Zukunft ins Auge gefasst.
Bürgermeister Mario Hecker untermauerte den Darlehensantrag durch Beispiele, bei denen es CDU und UKB nicht schwergefallen war, zuzustimmen. So habe das Freibad im letzten Jahr ein Minus von 293.500 Euro eingefahren, für dieses Jahr stehe im Haushaltsansatz ein Minus von 211.850 Euro und für 2026 ist ein Minus von 230.800 Euro kalkuliert. Für die drei folgenden Jahre seien Fehlbeträge von mehr als 200.000 Euro zu erwarten. Dennoch bezeichnete CDU-Fraktionsvorsitzender Julian Gerber, der selbst Geschäftsführer des Freibadvereins Kalletal ist, das MVZ als ein „Fass ohne Boden“ und zog das Fazit, „Lieber ein Ende mit dem von Beginn an für alle absehbaren Schrecken, als noch mehr Schrecken ohne Ende.“ Die Fraktion habe Zweifel an den Prognosen der MVZ-Geschäftsführung, welche diese nicht habe ausräumen können. Ihr seien falsche Zahlen, fehlende Positionen und handwerkliche Fehler vorzuwerfen.
Auch die UKB fand, „dass dort hinten und vorne etwas nicht stimmt,“ wie Fraktionsvorsitzender Ingo Mühlenmeier sagte, und er habe sogar „wahrgenommen, dass man der Fraktion Angst einflößen wolle.“ Die UKB hatten im Vorfeld ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Detmold zurückgezogen, das ihr die im Wahlkampf aufgestellte Behauptung, dass das MVZ eigentlich schon insolvent sein müsste, verboten hatte. Ansonsten hätte sie bei der Ratssitzung wegen Befangenheit nicht mitstimmen dürfen.
Die SPD, die laut Fraktionschef Manfred Rehse die Kritik an der Geschäftsführung für nachvollziehbar hält, findet es jedoch unverständlich, dass dieses als Begründung für die Ablehnung jeglicher Unterstützung genutzt werde.
Nun soll ein weiteres Bürgerbegehren für den Fortbestand des MVZ gestartet werden, wie Udo Zippel, einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens für das MVZ im letzten Jahr, mitteilte, wozu er gleich nach der Ratssitzung die ersten Unterschriften einsammeln konnte. Dafür erhält er die Unterstützung der SPD, die CDU und UKB entgegenhielt, ihre „politische Sturheit über die Gesundheitsinteressen der Menschen vor Ort“ zu stellen.

KOMMENTAR
Von Rudi Rudolph

Mit dem Abstimmungsergebnis gegen die Gewährung eines Gesellschaftsdarlehens für das MVZ haben CDU und UKB sowohl der Einrichtung als auch der Kalletaler Bevölkerung einen Bärendienst erwiesen. Klar, dass MVZ-Geschäftsführerin Gabriele Dostal hätte transparenter und informativer agieren müssen und das MVZ die Prognosen nicht einhalten konnte. Aber ist das ein Grund, das MVZ in die Insolvenz rauschen zu lassen? Laut CDU-Fraktionschef Julian Gerber tut sich hier „ein Fass ohne Boden auf“, doch die Aufnahme eines Kredits für den Wasserbeschaffungsverband Hohenhausen, der seinen Hochbehälter sanieren muss, wird mit rund 500.000 bis 800.000 Euro geschätzt, und das Minus für das Freibad, ohnehin ein Zuschussgeschäft, wird sich für die Jahre 2024 bis 2029 auf rund 1,3 Millionen Euro belaufen. Dass sich die Politik dazu nicht äußerte, brachte ihr nun den Vorwurf ein, mit zweierlei Maß zu messen. Zu Recht, denn da das MVZ zu 100 Prozent der Gemeinde gehört, würde ein Darlehen ja mitsamt Zinsen zurückgezahlt werden müssen, da sind 300.000 Euro eigentlich Peanuts.
Nun steht das MVZ möglicherweise vor der Insolvenz, der Streit um die ärztliche Versorgung in Kalletal wird auf dem Rücken der Bürger ausgetragen. Das MVZ kam durch ein Bürgerbegehrens erst in Gang, die Behauptung der UKB im Wahlkampf, es stehe vor der Insolvenz und die zu optimistischen Prognosen von Geschäftsführerin Dostal verursachten Frust und Unsicherheit. Im Falle der Schließung: Wer übernimmt die Patienten? Keine Perspektive auf eine Kinderärztin. Lange Wege für Familien. Frage der Hausbesuche. Schlechtere Versorgung älterer Patienten, die Barrierefreiheit benötigen. Warum nicht also dem MVZ die Chance geben, auf eigenen Füßen zu stehen und das Darlehen zurückzuzahlen?
Eine Investition in die medizinische Infrastruktur ist immer auch eine Investition in Familien, in Zuzug, in Lebensqualität und damit in die Zukunft Kalletals. Ein erneutes Bürgerbegehren für das MVZ wird zeigen, wie viel eine medizinische Versorgung den Kalletalern wert ist.

UPDATE
Kalletal (sar). Die Geschäftsführung des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Kalletal hat sich auf der eigenen Internetseite (www.mvz-kalletal.de) zur aktuellen Situation rund um die ablehnende Entscheidung des Gemeinderates zur Finanzierung geäußert. Insbesondere geht es dem MVZ-Team darum, dass die Patienten informiert werden: „Der Praxisbetrieb läuft weiterhin regulär und unverändert weiter. Alle vereinbarten Termine finden statt, und das gesamte Team ist wie gewohnt für Sie da. Ihre medizinische Versorgung ist aktuell nicht beeinträchtigt“ heißt es unter anderem in der Stellungnahme. Unabhängig von der aktuellen Situation arbeitet die Geschäftsführung derzeit mit Hochdruck an tragfähigen Lösungen.