Kalletal (rr). „Was werden die Kalletaler davon haben?“ war die Frage. Die Antwort von Marvin Jekel, Technischer Projektleiter der DB InfraGO AG, lautete kurz und bündig „wenig“. Das brachte die Sondersitzung des Kalletaler Rates so ziemlich auf den Punkt.
„Wenn wir nicht unsere Stimme erheben, wird da gebaut, wo der Widerstand am geringsten ist“, hatte Bürgermeister Hecker im Vorfeld gemahnt. Folgen wie sinkende Immobilienpreise oder gar Enteignungen könnten bei den Varianten nicht ausgeschlossen werden, mussten die beiden DB-Vertreter im Laufe der Sitzung zugeben.
Der Bürgermeister hatte zu dieser Sonderratssitzung geladen, denn es sollte über die beiden ICE-Trassenkorridor-Varianten informiert werden, die im Zuge des Bahnprojekts Hannover-Bielefeld das Gebiet der Gemeinde Kalletal tangieren, besser gesagt, durchschneiden würden. Dass dieses Vorhaben nicht unbedingt auf Begeisterung stoßen würde, zeigte sich an dem starken Interesse der Bürgerinnen und Bürger, von denen rund 160 das Bürgerbegegnungszentrum füllten.
Seit 2020 war das Thema bereits in der Politik virulent, sodass Hecker zunächst einen Überblick über den Sachstand gab und betonte, dass man zwar Ausbau und Ertüchtigung der bestehenden Strecke positiv sehe, jedoch aber Varianten ablehne, die quer durch das Kalletal geplant werden könnten. „Wir wollen informieren, nicht jemanden an den Pranger stellen – so geht man miteinander um“, sagte er und wies darauf hin, dass Bürger noch bis zum 31. Oktober über die Kalletal-App unter dem Slogan „Kalletal erhebt seine Stimme“ Meinungen kundtun könnten, die dann anschließend gesammelt und der Bahn an die Hand gegeben werden sollen. Er erläuterte den zeitlichen Ablauf des Projekts und präsentierte einige Bilder, die die Kalletaler Landschaften zeigten, an denen die Trasse in Tunnel ein- und austreten würde.
Volker Vorwerk, Leiter Projektpartner-Management der DB InfraGO AG, stellte das Projekt und den gegenwärtigen Stand der Planung vor. Nach seinen Worten liegt die Begründung für den Trassenbau in dem Beschluss früherer Bundesregierungen für klimafreundlicheren Verkehr sowie im Rahmen der Verkehrswende, die Bahn als probates Verkehrsmittel der Zukunft zu etablieren. Schneller und komfortabler zu sein sei das Ziel, weshalb die Vorgabe laute, dass die Strecke zwei Gleise mehr enthalten und güterzugtauglich sein soll. Dabei darf dann ein Takt von 31 Minuten nicht überschritten werden. Die vorhandene Strecke auszubauen würde diese Vorgaben nicht erreichen.
Nach der Planung, die 2020 begann und bei der 195 Kriterien für die Trassen enthalten waren, wurden 2023 Fahrzeit-Korridore in rund 1000 Meter breiten ICE-Trassen-Korridoren festgelegt, aus denen zwölf Varianten übrig blieben. Diese stellte Volker Vorwerk anhand von Grafiken dar und wies auf die beiden Varianten V9 und V12 hin, die im Kalletal infrage kämen. Beide durchschneiden Kalletal im nördlichen Teil, wobei die Variante 9 von Hannover nach Bielefeld laut Marvin Jekel 101 Kilometer enthalte, von denen 33 Kilometer untertunnelt verlaufen. Variante V12 hätte sogar 41 Kilometer Tunnel.
Mehrere Ratsmitglieder richteten Fragen an die beiden DB-Repräsentanten, dann wurden Kalletaler Bürger konkreter und Jekel und Vorwerk mussten zugeben, dass beispielsweise für die Landwirtschaft Umwege entstehen könnten, die Immobilienpreise sinken oder auch im Falle, dass ein Anlieger ein benötigtes Grundstück nicht an die Bahn verkaufen wolle, Enteignungen nicht ausgeschlossen seien.
Bürgermeister Hecker sagte, dass jetzt noch Zeit sei, um die Stimmen zu erheben. Drei bis vier Jahre dauert die Vorplanung. Mit der Trassenfestlegung wird in etwa fünf Jahren zu rechnen sein. Ein Bau würde daher in den nächsten zehn Jahren noch nicht stattfinden.
Und das Statement von Mario Hecker deckte sich mit der Ansicht zahlreicher Besucher. „Ich bin seit 2020 sehr dagegen, der gesunde Menschenverstand sagt mir, das kann nicht richtig sein“, war aus den Reihen der Besucher zu hören.