Nordlippe / Kalletal (jn). Es ist eine Wachablösung mit Ansage: Am 19. Oktober wird Mario Hecker, Bürgermeister der Gemeinde Kalletal, seinen Posten als Vorsitzender der Lokalen Aktionsgruppe Nordlippe (kurz LAG Nordlippe) bei deren Jahresversammlung abgeben. Nach dem Abschied von Dörentrups ehemaligem Bürgermeister Friedrich Ehlert aus dem aktiven Dienst hatte Hecker die Leitung der LAG von diesem übernommen – und macht nun selbst ganz bewusst Platz für ein frisches Gesicht.


Wir haben dies zum Anlass genommen, um mit Mario Hecker in einem Interview per Rückschau auf das Erreichte zu blicken – aber auch den Blick nach vorne zu wagen.

Nordlippischer Anzeiger: Herr Hecker, die vergangenen zwei Jahre mit Ihnen an der Spitze der LAG Nordlippe waren reich an Ereignissen und Erfolgen, wie der Zusage von LEADER-Fördermitteln für die Region. Glückwunsch dazu: 2,3 Mio. Euro kommen nach Nordlippe – ist das jetzt ein Grund zum Aufhören, nach dem Motto „Wenn es am schönsten ist, soll man gehen“?
Mario Hecker: Erstmal vielen Dank! Die dritte Förderzusage in Folge ist wahrlich ein Meilenstein – und in meinem Fall tatsächlich einer der Beweggründe, zum 1.1.2023 – also zum Start der neuen Förderperiode – den Vorsitz abzugeben. Es ist ein guter Zeitpunkt für den neuen Vorsitzenden, sich zu beweisen. Ich trete in die zweite Reihe zurück und habe mein Ziel, die erfolgreiche Fortführung der Bewerbungen meiner Vorgänger Hans Hoppenberg und Friedrich Ehlert, erreicht.

Nordlipper: Sie begleiten den LEADER-Prozess schon seit dem Jahr 2008 in verschiedenen Positionen – wie haben Sie auf Basis Ihrer Erfahrung den aktuellen Bewerbungsprozess empfunden? Ist eine Wieder-Bewerbung ein Selbstläufer oder aber das genaue Gegenteil?
Hecker: Ganz klar nein, alles andere als ein Selbstläufer. Es ist schon außergewöhnlich, dass es ein drittes Mal gelungen ist, sich in einem großen Bewerberfeld durchzusetzen. Der Bewerbungsprozess selbst war schwieriger als in den Vorjahren, auch weil die Bürgerbeteiligung wegen der Corona-Pandemie ausschließlich digital erfolgen musste – und der Bewerbungszeitraum durchaus sehr ambitioniert war. Am Ende waren nach meiner Einschätzung aber die gewählten Schwerpunkte entscheidend.

Nordlipper: Welche zum Beispiel?
Hecker: Ohne Frage zählt dazu „Nachhaltiges Bauen“. Die Baubranche ist einer der größten CO2-Emittenten – Beton einer der wichtigsten Baustoffe weltweit. Ein Neubau ohne ihn war bisher nur schwer vollstellbar. Wir diskutieren über klimaschädliches Fliegen, schmutzige Kohlekraftwerke oder dreckige Dieselmotoren und übersehen dabei den größten aller Klimakiller: Beton. Der Gebäudesektor wird global zu einer zentralen CO2-Senke werden müssen – mit Holz als Baustoff anstelle von Zement und Stahl. Das bietet auch für Nordlippe innovative Perspektiven, die man strategisch nutzen muss, damit unsere heimische Wirtschaft davon profitiert.

Nordlipper: À propos strategische Ausrichtung: Mit der Abgabe des Vorsitzes werden ja Zeitfenster frei. Wie werden Sie diese füllen?
Hecker: Ich widme mich wieder voll unseren Kalletaler Belangen. Und da gibt es genug zu tun: Der Kalletaler Rat hat ja mit der Verabschiedung unserer Nachhaltigkeitsstrategie im vergangenen Jahr den Grundstein für die zukünftige Entwicklung unserer Gemeinde gelegt – und damit Weitsicht bewiesen. Zwischenzeitlich haben Rat und Verwaltung allen hierin enthaltenen fünf Themenfeldern eine strategische Ausrichtung durch konkrete Projekte – wie beispielsweise dem Kommunalen Entwicklungsbeirat zum Thema Gesundheitsversorgung, der SmartCity-Strategie „digital.interkommunal“ mit der Stadt Lemgo, dem Mobilitätskonzept, dem Zero-Waste-Konzept, der Kommunalen Klimapartnerschaft, dem Schwammdorf-Konzept und allen voran dem Thema Sektorkopplung – gegeben. Sie sehen: Ich kann die Zeit also gut gebrauchen!

Nordlipper: Jede Menge zu tun und spannende Zukunftsaussichten verheißt das für Kalletal. Dann nutzen wir doch die Möglichkeit: Können Sie unseren Lesern das Thema „Sektorkopplung“ bitte einmal ganz konkret erläutern?
Hecker: Natürlich! „Sektorkopplung“ bedeutet die Verbindung der „Energiesektoren“ Strom, Wärme und Verkehr. Das spielt für die Dekarbonisierung der Energiewende (also dem Wechsel von der Kohle auf andere Energieträger) eine äußerst tragende Rolle, da die Bedeutung von Strom aus erneuerbaren Energien weiterhin deutlich zunehmen wird. Wir in Kalletal haben uns deshalb mit dem Kreis Herford und der Fachhochschule des Mittelstands aus Bielefeld unter der Motto „Sektorale Dekarbonisierungsoption mit Wirkungspotenzial für das URBANLAND Ostwestfalen-Lippe“ auf den Weg gemacht, um in Zukunft im Gewerbegebiet Echternhagen eine Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen. Das bedeutet, dass wir so den Unternehmen vor Ort ein Angebot machen, ihre Betriebe zukunftsgerecht auf Wasserstoff als Energiequelle umstellen zu können, weil dieser direkt vor Ort verfügbar ist Sofern wir hier den Zuschlag im Bundeswettbewerb erhalten sollten, wird dieses Projekt mich sicherlich zeitlich stark einbinden. Und das ist wichtig: Wegen der hohen Bedeutung für unseren Wirtschaftsstandort will ich mich hier in Zukunft besonders stark einbringen – auch daher die Entscheidung, den Vorsitz der LAG Nordlippe abzugeben.

Nordlipper: Nordlippe genießt einen ausgezeichneten Ruf in Düsseldorf, auch weil man hier frühzeitig die Bedeutung interkommunaler Zusammenarbeit erkannt hat. Würden Sie das so bestätigen?
Hecker: Absolut. Der Stellenwert von interkommunaler Zusammenarbeit wird zunehmen, auch wegen des verstärkten Fachkräftemangels. Wir sollten allerdings nicht dem Trugschluss unterliegen, zu glauben, dass sei ausschließlich in Nordlippe notwendig! Wir werden räumlich deutlich größer denken müssen – kreisweit und darüber hinaus. Das Vollstreckungswesen Nordlippes mit Lemgo oder auch die Entwicklungspartnerschaft Open SmartCity App von Solingen, Kalletal, Lemgo, Dortmund, Oberhausen, Mönchengladbach und Remscheid sind dafür gute Beispiele.

Nordlipper: Herr Hecker, wir danken Ihnen für das Gespräch.