Extertal / Kreis Lippe (jn/red). Rund 140 Landwirte aus ganz Lippe haben beim ersten digitalen Kreisverbandstag die Diskussion darüber verfolgt, ob die Landwirtschaft noch Zukunft hat. Denn die Bauern schweben zwischen Existenzangst und Hoffnung: Ist die Landwirtschaft noch gesellschaftlich gewollt?
Dieter Hagedorn, Kreisverbandsvorsitzender der Lippischen Landwirte, sagt auf diese Frage: „Ganz klar: JA!“ Doch der Frust sei groß und die Stimmung unter den Bauern schlecht. Wegen der immer höheren Auflagen- und Gesetzesflut entwickle sich teilweise bei dem einzelnen Landwirt eine Ohnmacht. Dazu kämen die niedrigen Erzeugerpreise und die Marktmacht der Lebensmittelketten, so Hagedorn weiter.
Als Referenten waren Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), und Jörg Düning-Gast, Verbandvorsteher des Landesverbands Lippe, geladen. Sie mussten sich unter anderem den Fragen von Junglandwirt Daniel Walgern (23) aus dem Extertal sowie dessen Kollegen Max Mäscher aus Leopoldshöhe und Jennifer Helweg aus Detmold stellen, die ihrer Sorge um die Zukunft ihres Berufszweiges Ausdruck verliehen.
„Wir brauchen Planungssicherheit und nicht immer und ständig noch mehr Gesetze, Auflagen und Verordnungen obendrauf“, fordert Junglandwirtin Jennifer Helweg. Gesellschaftlich und politisch gewollt seien doch viele, kleine bäuerliche Familienbetriebe, erzählt die 26-Jährige. Aber gerade die kleineren Höfe könnten die immer höheren kostenverursachenden Auflagen bei niedrigen Preisen nicht stemmen.
Dasselbe gelte für das Lebensmittelhandwerk. „Für unsere Tiere, die wir regional vermarkten, liegt der nächste Schlachter erst in Schloss Holte-Stukenbrock“, sagt Helweg. „Wir fahren dahin, dann wieder zurück und das Fleisch geht zwei Kilometer von unserem Hof in Detmold über die Ladentheke.“ Viele kleine Schlachter könnten aufgrund hoher Gebühren wie bei der Fleischbeschau und durch immer höhere, strengere Regeln wie bei der Lebensmittelbegutachtung die Berufsausübung nicht mehr durchhalten. „Regionale Vermarktung ist gewollt, doch die Betriebe in Landwirtschaft und im Lebensmittelhandwerk müssen es doch auch langfristig schaffen“, unterstreicht Helweg.
Erfahrungen, die Präsident Beringmeier nachvollziehen kann. „Wir brauchen neue Ansätze.“ Hohe Standards und Preise auf Weltmarktniveau passten aber nicht zusammen. Doch es gäbe Hoffnung mit der Kommission um den ehemaligen Landwirtschaftsminister Jochen Borchert. Die „Borchert-Kommission“ biete Pläne für eine akzeptierte, zukunftsfähige Tierhaltung, so Beringmeier. „Für uns Bauern sind sie eine Chance, wenn die Finanzierung dafür sichergestellt wird“, untermauert der Präsident: „Denn wir werden die jungen Leute nur auf den Höfen halten, wenn sie und ihre Familien von ihrer Arbeit leben können.“
Junglandwirt Daniel Walgern aus dem Extertal forderte in der Diskussion seine Berufskollegen auf, mehr nach vorne zu schauen. Der 23-Jährige ist ausgebildeter Landwirt, besucht derzeit die Fachschule für Agrarwirtschaft in Herford und schließt diese im Sommer als Agrarbetriebswirt ab. Das Ansehen der Landwirtschaft ist für ihn ein großes Thema, auch ohne elterlichen Betrieb. Deshalb ist er schon seit Jahren als Agrarscout unterwegs, um den Menschen die moderne Landwirtschaft näherzubringen. „In Zeiten zunehmender Entfremdung von der Landwirtschaft müssen wir die Verbraucher mehr mitnehmen.“ Der grüne Berufszweig hätte einiges aufzuholen. Der Erzeuger-Verbraucherdialog sei wichtiger denn je. Er fragt: „Warum unterstützen nur elf Landwirte aus Lippe die Initiative ‚Mag doch jeder‘? Junglandwirt Walgern appelliert: „Wann wollen wir endlich aufhören mit der Opferrolle? Wann fangen wir mit dem professionellen Branding für die Landwirtschaft an?“
Dieter Hagedorn untermauerte zum Abschluss des digitalen Treffens seinen festen Glauben an die Landwirtschaft und deren Zukunft. „Wir Landwirte befinden uns in einer fortwährenden Weiterentwicklung“, erklärte er. Was man von der Politik verlangen könne, sei Verlässlichkeit. „Ein Land ohne Landwirtschaft ist kein Land sondern besiedelte Fläche! Wir haben einen der schönsten Berufe – lassen Sie uns gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen einstehen.“