VON RUDI RUDOLPH
Kalletal-Hohenhausen. Ganz im Zeichen starker Frauen stand der Freitagabend im bis auf den letzten Platz ausverkauften Kalletaler Bürgerbegegnungszentrum. Am Vorabend des Weltfrauentags 2025, auf den Bürgermeister Mario Hecker explizit hinwies, war es einer starken Frau, nämlich Corinna Will, gelungen, im Rahmen der kulturellen Veranstaltungsreihe „Kalletal Reiseschätze“ die überragende Schauspielerin Suzanne von Borsody für eine Lesung zu gewinnen.
Unter dem Titel „Jetzt, wo du mich verlässt, liebe ich dich mehr denn je…“ las Suzanne von Borsody, ebenfalls eine starke Frau, aus Briefen und Notizen, Gedichten und anderen Texten der mit Abstand bekanntesten Malerin Lateinamerikas, Frida Kahlo, doch nein, sie las nicht, sie war Frida Kahlo.
Und wie diese starke Frau trug sie auf dem Kopf ein buntes Blumen-Ensemble. Eine Inszenierung, die hinter einem Stehtisch und bei geschickter Beleuchtung allein mit der säuselnden, sanften und zugleich rauen, dann brachial wütenden oder anklagenden Stimme eine Frau lebendig werden ließ, die von Krankheit gebeutelt und von Liebeskummer zerrissen war. Trotzdem eine Optimistin, die den Schmerz ihren Bildern anvertraute, fröhlich, verliebt und positiv sein konnte. Solche Gefühlsregungen legte Suzanne von Borsody in Mimik und Gestik, sparsam und doch variabel, unterstreichend und ausdrucksstark.
Eine emotional einstimmende Atmosphäre lieferte dazu das „Trio Azul“ mit Aníbal Civilotti an der Gitarre, Omar Plasencia an Vibrafon und Percussion und Kurt Holzkämper am Kontrabass, die lässig und doch präzise in Textstellen hineinspielten und der Lesung eher einen Aufführungscharakter verliehen. Frida Kahlo de Rivera, deren Bilder zum „nationalen Kulturgut“ erklärt wurden, erkrankte als Kind an Kinderlähmung, trieb trotzdem viel Sport und besuchte eine der besten mexikanischen Schulen. Im Alter von 18 Jahren wurde sie bei einem Busunglück so schwer verletzt, dass sie ihr Leben immer wieder liegend in einem Ganzkörpergips oder Stahlkorsett verbringen musste. Sie begann zu malen, Selbstportraits und sagte dazu, „weil ich das Motiv bin, das ich am besten kenne.“ In ihren Bildern manifestierten sich ihre seelischen und physischen Qualen, drei Fehlgeburten und ständige Schmerzen hinterließen ihre Spuren. Kahlos ewige Liebe war der über 20 Jahre ältere mexikanische Maler Diego Rivera. Sie heiratete ihn trotz seiner vielen Affären, ließ sich nach zehn Jahren scheiden, flüchtete in den Alkohol und heiratete ihn doch wieder nach einem Jahr.
Davon zeugen Briefe, zärtlich, flehentlich und doch wild, wütend und radikal, die Suzanne von Borsody förmlich lebt. Frida Kahlo hatte selbst zahlreiche Liebesaffären, so etwa auch mit Leo Trotzki, dem wichtigsten Mann neben Lenin in der Sowjetunion, dem sie ein Haus schenkte, wo er von Stalins Geheimdienst 1940 ermordet wurde. Suzanne von Borsody ließ in ihrer Lesung eine Zeit und eine Frau so wiederauferstehen, dass die Zuhörer gebannt noch viel länger hätten zuhören können, doch nach über zwei Stunden endete ein packender emotionsgeladener Abend schließlich noch mit einem weiteren Highlight. Die Künstlerin trug sich zur Freude von Corinna Will und Bürgermeister Mario Hecker empathisch in das Goldene Buch der Gemeinde ein.